Berlin Alexanderplatz zu lesen, macht Angst. Nicht etwa, weil man weiß, dass man es nicht versteht (das ist sogar teils gewollt), sondern weil man sieht, was solch eine Großstadt mit einer Gesellschaft anrichtet.
Jeder, der auch nur die ersten Zeilen einer Zusammenfassung gelesen hat, weiß, dass es in dem Buch um den äußerst zerstreuten Franz Biberkopf geht. Nach vier Jahren Gefängnis beginnt für ihn die Strafe. Er kommt zurück in die Großstadt Berlin und fasst nur schwer Fuß. Irgendwann überwindet er seine Schwierigkeiten wieder und findet zurück zu alten Freunden. Er ist frei! So schnell er jedoch wieder in seinem Umfeld ankam, so schnell ist er aber auch wieder raus: Lüders, der eigentlich sein Freund war, klaut plötzlich Verkaufsware und Geld von ihm. Auf diesen Schlag hin muss Franz neu beginnen, er rappelt sich wieder auf und schwört sich, anständig zu sein. Doch er schafft es nicht. Er rutscht weiter in die Kriminalität ab, wird Teil einer Bande und dreht ein paar krumme Dinger mit ihr. Schlussendlich wird er wieder betrogen und verliert seinen Arm – der zweite Schlag. Dieses Muster wiederholt sich noch ein drittes Mal. Nun könnte man sagen, Franz Biberkopf sei ein Opfer der Gesellschaft, der Umstände und der Großstadt – so tut er es oftmals auch selbst.
Was aber nur jene wissen, die sich die Mühe gemacht haben, das Buch zumindest einmal aufzuschlagen, ist, welch ein Chaos Berlin und diese Geschichte sind. Die schiere Unlesbarkeit lässt sich schlecht in Worte fassen.
Knapp ein Jahr nach der Veröffentlichung von Berlin Alexanderplatz im Jahr 1930 gewann die NSDAP in der Reichstagswahl knapp 20 % der Stimmen. Dieses Ergebnis weist leider äußerst viele Parallelen zu heute auf. So gewann die AfD vor einigen Tagen in der Bundestagswahl bereits mehr als 20 %. Zwar leben immer noch mehr als die Hälfte der Menschen in (Groß-)Städten, aber dennoch waren wir politisch mal woanders. Was ist also passiert, dass wir wieder zurück an diesem Punkt sind?
Nach vielen Jahren, die geprägt waren von Erinnerungen und Zeitzeugen, verlieren wir langsam den Bezug zu den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs. Berlin Alexanderplatz zeigt meines Erachtens sehr schön, welche Eigenschaften in einer Gesellschaft vorhanden sein müssen, damit Populismus, Extremismus und Faschismus aufgenommen werden können.
Grundsätzlich, so denke ich, helfen Chaos und Unstrukturiertheit einem solchen Bestreben. Wer im Chaos am lautesten und am einfachsten schreit, der wird gehört und gewählt. Im Chaos bleibt keine Zeit, um komplexe Lösungsansätze zu verstehen und zu diskutieren.
In einer Großstadt herrschen permanenter Lärm, Reizüberflutung und Hektik. Jeder hetzt von hier nach dort, niemand hat Zeit, innezuhalten. Informationen prasseln ungefiltert auf die Menschen ein – Werbetafeln, Durchsagen und Straßenverkäufer. Es gibt keine klaren Strukturen, kein einheitliches Gefühl von Zugehörigkeit. Anonymität verstärkt das Gefühl von Haltlosigkeit. Schlussendlich hat man nicht mehr genug Zeit, um zu denken und zu reflektieren.
Nun vergleicht man die historische Großstadt mit unserer modernen Welt, so sieht es noch viel gefährlicher aus. Die Zeit, die man damals noch hatte, um (sich) zu informieren, ist noch knapper. Die Welt um einen herum dreht sich noch schneller. Die Breaking News aus aller Welt sind in Millisekunden bei einem.
Was damals passieren konnte, das kann heute noch viel schneller passieren.
Nie wieder ist jetzt. Aber vielleicht ist es schon zu spät.
Reflexion
Ich wusste bis zum Schluss nicht, worüber genau ich diesen Blog schreiben möchte. Von Anfang an war mir klar, dass ich über den spürbaren Rechtsruck in Europa schreiben und die Wahlergebnisse in Deutschland schreiben möchte - ein Thema welches mich sehr beschäftigt.
KI habe ich für diesen Blog abgesehen von einer einzigen Schlusskorrektur mit folgender Prompt nicht verwendet: “Korrigiere den folgenden Text bezüglich Grammatik, Orthografie und Interpunktion. Verrändere ansonsten nichts.”